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Tiny House

Tiny Houses: Ein Interview mit den Gründerinnen der Tiny University

Simone Blaß
Verfasst von Simone Blaß
Zuletzt aktualisiert: 03. November 2025
Lesedauer: 12 Minuten
© Aleksei Isachenko / istockphoto.com

Ein Tiny House ist weit mehr als nur ein kleines Haus. Es ist ein Statement für Einfachheit, Achtsamkeit und Freiheit. Auf kleinstem Raum vereint es alles, was man wirklich zum Leben braucht wie durchdachtes Design, multifunktionale Möbel und eine Atmosphäre, die Geborgenheit statt Enge vermittelt. Wer sich für ein Tiny House entscheidet, wählt bewusst einen reduzierten Lebensstil, bei dem Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit im Mittelpunkt stehen. Natalie und Roxana Sochan sowie Anika Falke haben ihre Kompetenzen verbunden,um mit der Tiny University ein modernes Lern- und Mentoringangebot zu schaffen, das weit über reines Fachwissen hinausgeht und Menschen auf ihrem Weg ins eigene Tiny House persönlich begleitet. Unser Gespräch mit ihnen eröffnet unter anderem Einblicke in die Werte, die hinter ihrer Arbeit stehen. Denn es braucht Mut, Klarheit und Idealismus, um das Wohnen neu zu denken.


Die lächelnden Gründerinnen der Tiny University sitzen gemeinsam auf einem Sofa vor einem hellen Hintergrund. Über ihnen steht das Logo "Tiny University" mit dem Slogan "Erfülle deinen Traum vom Tiny House!".

ÜBER UNSERE EXPERTINNEN

Aus der Vision, den Weg zum eigenen Tiny House klarer, rechtssicherer und praxisnäher zu gestalten, entstand die Tiny University, ein Herzensprojekt von drei Frauen, die dieselbe Leidenschaft teilen: Menschen dabei zu unterstützen, ihren Traum vom minimalistischen Wohnen tatsächlich zu verwirklichen. Natalie Sochan, Juristin mit Schwerpunkt Immobilienrecht, sorgt für die rechtliche Klarheit und Sicherheit bei jedem Tiny-House-Projekt. Ihre Schwester Roxana Sochan bringt als Designerin und Gründerin von Kadolz Homes nicht nur Kreativität, sondern auch Fachwissen ein, vor allem wenn es um die (Kurzzeit-)Vermietung von Tiny Houses geht. Und Anika Falke, Raum- und Produktdesignerin sowie Gründerin von Falke Tiny House Design, steuert bauliche Präzision, nachhaltige Planungsansätze und viele neue Ideen bei.

© Tiny University


Der Tiny House-Trend steht für die Sehnsucht nach Freiheit und Minimalismus. Aber wenn Sie mit jemandem sprechen, der gerade seinen Traum verwirklichen will, wo genau liegt dann oft der Bruch zwischen dieser idealisierten Vorstellung und der Realität?

Viele Menschen träumen von Freiheit, Einfachheit und mehr Selbstbestimmung und genau das verkörpert das Tiny House. Dass der Weg dorthin aber kein Selbstläufer ist, wird dabei häufig unterschätzt. Es gibt rechtliche Hürden, Unsicherheiten bei der Grundstückssuche und bei der Ansprache der Gemeinden und auch oft eine emotionale Überforderung durch die Vielzahl an Entscheidungen, die man als Tiny House Bauherrin oder Bauherr treffen muss.

Die größte Herausforderung liegt darin, den Traum mit der Realität in Einklang zu bringen, also herauszufinden, was wirklich zu einem passt und wie man es rechtlich, finanziell und praktisch umgesetzt bekommt. Genau hier setzen wir als Tiny University an. Wir begleiten Tiny House-Bauherrinnen und Bauherren, damit der Traum nicht an Bürokratie oder Fehlentscheidungen scheitert.

Im Tiny House geht es ums Reduzieren auf das Wesentliche. Aber paradoxerweise erfordert die Planung eines solchen Hauses oft mehr Entscheidungen, mehr Bürokratie und mehr Kopfzerbrechen als ein großes Haus. Was sind die drei Dinge, die ich unbedingt wissen bzw. bedenken muss, wenn ich ein solches Projekt plane?

1. Die rechtlichen Rahmenbedingungen: Ob Bebauungsplan, Bauordnung oder Nutzungsart, wer hier nicht gut informiert ist, verliert viel Zeit und Geld. 

2. Standort und Grundstück: Der Standort entscheidet über Genehmigung, Kosten und Lebensqualität. Viele wissen nicht, wie individuell die kommunalen Regelungen sind. 

3. Die persönliche Klarheit: Es gibt nicht das eine Tiny House, das für jeden passt. Tiny Living funktioniert auf Dauer nur, wenn es mit dem eigenen Lebensstil und der inneren Einstellung harmoniert. Wir helfen dabei, die richtigen Fragen zu stellen, damit man die persönlichen Bedürfnisse erkennt und daraufhin eine stimmige Raumaufteilung sowie das passende Haus beziehungsweise den passenden Tiny House-Typ für sich herausfinden kann.


Tiny House in A-Frame-Bauweise mit großer Holzterrasse steht im Wald zwischen Birken und Kiefern. Links im Bild ist ein runder Hot Tub aus Holz zu sehen.

TINY HOUSE PLANEN

Die Planung eines Tiny Houses verlangt eine sorgfältige Vorbereitung, um rechtliche, technische und gestalterische Anforderungen zu erfüllen.

© Aleksei Isachenko / istockphoto.com


Man muss bei einem Tiny House ja doch sehr viel auf sehr wenig unterbringen. Was sind typische Planungsfehler? Wie wichtig ist eine durchdachte Planung?

Der größte Fehler ist, das Haus nur für den aktuellen Bedarf abzustimmen. Dadurch planen viele zu wenig Platz ein oder vergessen wichtige Aspekte wie Alltagstauglichkeit und ein harmonisches Ambiente, das auch Flexibilität in der Innengestaltung erlaubt. Auch wenn ein Tiny House viel schneller realisiert ist als ein konventionelles Eigenheim, raten wir unseren Teilnehmern, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen. Das Haus sollte sich möglichst an das Leben der Bewohner anpassen und auch mitwachsen können. Wenn man diese Dinge berücksichtigt, wird man viele Jahre Freude an dem Tiny House haben, da es so sehr viel vielseitiger nutzbar ist.



Das heißt, man sollte mögliche Veränderungen im Leben von Vornherein mitdenken?

Ja, und das ist auch gar nicht so schwer, wie es klingt, denn viele Modelle lassen sich anpassen oder modular erweitern. Das gilt aber nur, wenn das von Anfang an bedacht wurde. Ein häufiger Fehler ist, zu eng zu planen und später zu merken, dass Platz fehlt. Wer flexibel bleiben will, sollte auf modulare Systeme oder kombinierbare Konzepte achten. Auch dazu beraten wir in der Tiny University, denn die Möglichkeit zur Erweiterung hängt auch mit dem Grundstück zusammen. Hinzu kommt, dass der verfügbare Raum kompakt ist. Es braucht also besonders durchdachte und effiziente Lösungen. Die Planung eines kleinen Hauses ist daher oft anspruchsvoller, und zugleich entscheidender, als die eines größeren Gebäudes. Schon kleine Designfehler können nicht nur die Qualität und Langlebigkeit beeinträchtigen, sondern auch den Wohnalltag spürbar beeinflussen.

Um in ein Tiny House zu ziehen, muss man im Normalfall seinen Besitz stark reduzieren. Was ist hier Ihr Tipp?

Loslassen ist ein Prozess. Wichtig ist, nicht von heute auf morgen alles wegzuwerfen. Das ist für viele ein zu radikaler Schritt und erfordert eine hohe Veränderungsbereitschaft. Besser ist es, sich dafür Zeit zu nehmen, früh damit anzufangen und Raum für Raum vorzugehen. Wichtig ist, dabei bewusst zu wählen, was wirklich Bedeutung hat. Denn das Ziel ist nicht Verzicht, sondern Klarheit. Weniger Dinge bedeuten weniger Ballast und somit mehr Leichtigkeit. Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie sich dieser Prozess anfühlt. Wir und viele unserer Teilnehmer sind den Weg gegangen oder gehen ihn gerade. Aber eins kann man auf jeden Fall sagen: Mit jedem Schritt fühlt man sich befreiter.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Suche nach einem Grundstück für ein Tiny House? Gibt es typische Fehler, die Interessenten bei der Grundstückssuche machen?

Ja, tatsächlich einige! Zum Beispiel, sich auf falsche Versprechungen von „Tiny House-Flächen“ zu verlassen, die oftmals nur eine Streuobstwiese sind, auf der man gar kein Gebäude hinstellen darf. Oder der Klassiker: Man fragt bei der Gemeinde an, ob man auf dem Grundstück ein „Tiny House“ aufstellen darf. Allein dieser Begriff schreckt Gemeinden oft unnötig ab, noch bevor man das eigene Projekt überhaupt richtig erklären konnte. Unsere Empfehlung ist daher, erst die rechtlichen Rahmenbedingungen verstehen, dann suchen und auf die Verantwortlichen zugehen. Wir helfen unseren Teilnehmern genau dabei, Schritt für Schritt, mit Checklisten, Vorlagen und Wissen aus der Praxis.


Frau sitzt mit ihrem Smartphone auf der kleinen Terrasse ihres Tiny Houses

TINY HOUSE GRUNDSTÜCK

Bevor es an die konkrete Planung des kleinen Eigenheims geht – vom Grundriss über die Wahl der Materialien bis hin zur Einrichtung – stellt sich eine grundlegende Frage: Wo darf ich ein Tiny House überhaupt aufstellen?

© Halfpoint / istockphoto.com


Was sind Ihre Erfahrungen: Wie stehen Gemeinden und Städte zu gut kommunizierten Tiny House-Projekten? Sind sie hier eher offen oder (noch) ablehnend?

Das variiert stark. Manche Gemeinden sind sehr offen und sehen Tiny Houses als Chance für neue Wohnformen oder um den Tourismus in ihrer Region anzukurbeln. Andere sind noch zurückhaltend, da sie oft nicht wissen, was genau auf sie zukommt oder ob die Häuser zum Beispiel den rechtlichen Anforderungen gerecht werden können. Wir erleben aber, dass das Interesse wächst, besonders dann, wenn man gut vorbereitet auftritt und konkrete, nachhaltige Konzepte und Pläne vorlegt. Auch hier gilt, dass Wissen Türen öffnet.

Sind die Regelungen für Tiny Houses bundesweit gleich und wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Zukunft vereinfachen?

Nein, sie sind nicht bundesweit einheitlich, weil das Baurecht Ländersache ist. Und das macht es natürlich schwer für den Einzelnen da durchzublicken. Es gibt mehrere Ebenen, die man beachten muss und jede Kommune hat noch einen eigenen Ermessensspielraum. Aber es bewegt sich etwas. Durch den Druck auf dem Wohnungsmarkt und die wachsende Tiny House-Community steigt das Bewusstsein für flexible Wohnformen. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren mehr einheitliche Leitlinien entstehen, allerdings nur, wenn weiterhin Aufklärungsarbeit geleistet und die Ideologie hinter den Häusern verstanden wird. Daran arbeiten wir aktiv mit.


Tiny House mit hellem Holz auf einer Wiesenfläche

TINY HOUSE VORSCHRIFTEN

Wie bei jedem Bauprojekt in Deutschland müssen Sie auch bei einem Tiny House auf die geltenden Vorschriften des Baurechts achten.


Gibt es Kriterien, auf die man bei der Wahl des Herstellers oder der Bauweise Ihrer Ansicht nach auf jeden Fall achten sollte?

Ja, unbedingt. Ein Tiny House zum Wohnen ist weder ein Gartenhaus noch ein Bauwagen. Es gibt einiges, auf was man achten sollte. Entscheidend sind vor allem Statik, Dämmung und die Qualität der Baumaterialien. Wichtig ist, dass der Hersteller auch die baurechtlichen Anforderungen kennt und transparent arbeitet. Wir raten, mehrere Angebote zu vergleichen und sich vorher unabhängig zu informieren, sonst wird es schnell teuer oder der Verkäufer redet einem etwas ein, was man ursprünglich gar nicht wollte. In unseren Kursen erklären wir genau, worauf es ankommt.



„Ein Tiny House ist immer nachhaltig“. Würden Sie diesen Satz unterschreiben?

Nicht ohne Weiteres. Ein Tiny House kann sehr nachhaltig sein, wenn es gut geplant, langlebig gebaut und sinnvoll genutzt wird. Aber Nachhaltigkeit entsteht nicht durch die Größe allein, sondern durch Bewusstsein und zwar in der Produktion, in der Materialwahl und im eigenen Lebensstil. Ein schlecht gedämmtes Minihaus ist nicht automatisch umweltfreundlich. Wir setzen auf echte Nachhaltigkeit und zwar technisch, sozial und persönlich.

Wo liegen die Probleme bei der Finanzierung eines Tiny Houses aktuell? Wie offen sind die Banken für solche Projekte?

Viele große Banken tun sich noch schwer, weil Tiny Houses an sich in keine klassische Kategorie passen. Sie gelten je nach Tiny Hous-Typ weder als Immobilie noch als Fahrzeug. Das macht es manchmal schwierig. Aber es gibt mittlerweile einige Banken, die passende Finanzierungsmodelle entwickelt haben und es kommen auch immer mehr von den großen Playern dazu. Jedoch ist es wichtig, die Unterschiede zwischen Mobilie und Immobilie zu kennen und die passende Finanzierungsstrategie umzusetzen.


Kleines modernes Tiny House aus Holz mit schwarzer vertikaler Außenverkleidung und Flachdach, das von einer dicken Schneeschicht bedeckt ist. Das Gebäude steht in einer verschneiten Waldlandschaft. Die vordere Terrasse ist mit naturbelassenem Holz verkleidet, und ein großes Fenster spiegelt die winterliche Umgebung. Schneefall ist sichtbar, Bäume und Sträucher sind mit Schnee bedeckt.

TINY HOUSE FÖRDERUNGEN

Neben Grundstücksfrage, Baurecht und technischen Standards stellt sich vor allem eine: Gibt es finanzielle Unterstützung für Tiny Houses? Welche Förderprogramme greifen, wie sieht es mit Zuschüssen oder Krediten aus und was muss man dafür beachten?

© Aleksey Matrenin / istockphoto.com


Wenn ich ein mobiles Tiny House habe, kann ich dann jederzeit losziehen und woanders wohnen?

Leider nein, das ist einer der größten Irrtümer. Auch mobile Tiny Houses unterliegen Vorschriften. Wer dauerhaft darin leben möchte, braucht eine Baugenehmigung, denn der Nutzen des Hauses beeinflusst, wie das Haus genehmigt wird. Aber das Gute ist, es gibt legale Möglichkeiten, man muss nur die Regeln kennen.

Welche Preisspanne ist für ein Tiny House realistisch, inklusive Nebenkosten wie Grundstück, Anschlüsse und Genehmigungen?

Die Kosten für ein Tiny House lassen sich nicht pauschal festlegen, da sie von unterschiedlichen Anforderungen abhängen. Je nach Größe, Materialwahl, Wandaufbau, Aufwand, Innenausbau und den einzuhaltenden Kriterien, wie zum Beispiel Bau nach GEG, der Dachneigung, Dämmwerte usw., variiert der Preis stark. Auch wo und wie produziert wird, beeinflusst die Kosten eines Hauses. Ein realistisch kalkuliertes Tiny House Projekt fängt bei +/- 160.000 Euro an, wenn man sich für die Pacht eines Grundstücks entscheidet. Inbegriffen sind dabei die Erschließung, das Haus, die Entwurfsplanung und die Genehmigungen. Dabei wird alleine das Haus mindestens 130.000 Euro beanspruchen. Wenn man doch lieber ein Grundstück kaufen möchte, kommen neben dem Grundstückspreis noch die Erwerbsnebenkosten und eventuelle Maklergebühren dazu.


Modernes Tiny House mit dunkler Holzfassade und großen Glasfronten in einer Produktionshalle; im Vordergrund liegen Holzbretter für den Innenausbau.

TINY HOUSE KOSTEN

 Je nach Bauart, Größe, Ausbaustufe, Standort und Eigenleistung können die Gesamtkosten stark variieren. Ein genauer Blick auf die Preisstruktur schafft hier Transparenz und erleichtert die individuelle Planung.

© anatoliycherkas / istockphoto.com


Glauben Sie, dass Tiny Houses eher ein Trend oder ein Ausdruck einer tieferen gesellschaftlichen Veränderung sind?

Definitiv Letzteres. Tiny Living steht für den Wunsch nach Selbstbestimmung, Sinn und den Fokus auf das Wesentliche. Es ist eine Antwort auf Überforderung durch Reizüberflutung, steigende Kosten und das Bedürfnis nach mehr Freiheit. Das Tiny House ist dabei oft der Startpunkt in ein bewussteres und erfüllteres Leben.



Welche Entwicklungen erwarten Sie für den Tiny House-Markt in den nächsten 10 Jahren? Könnte „Tiny Living“ eine Lösung für den Wohnungsmarkt sein?

Wir rechnen mit einer Professionalisierung und Normalisierung des Themas. Es wird mehr zugelassene Siedlungen, standardisierte Bauweisen und klare rechtliche Rahmenbedingungen geben. 

Gleichzeitig wächst der Wunsch nach gemeinschaftlichen Projekten, nachhaltiger Infrastruktur und Bildung rund ums Thema. Die Tiny University versteht sich dabei als Wegbegleiter dieser Bewegung, mit Wissen, Struktur und einer starken Gemeinschaft, die Menschen befähigt, ihren Traum sicher und selbstbewusst umzusetzen und zu leben.

Über unsere*n Autor*in
Simone Blaß
Simone studierte Germanistik, Psychologie und Soziologie und absolvierte danach ein Volontariat bei einem lokalen Fernsehsender. Nach Zwischenstationen beim Radio und in einer PR-Agentur arbeitete sie viele Jahre als freiberufliche Redakteurin für Online-Portale und Agenturen.